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Mehr zum Thema: STRATEGIE

Wie erstelle ich ohne großen Aufwand eine Persona?

Viele machen den Fehler und ziehen sich einfach etwas aus den Fingern: “Das ist Bob, er ist 41 Jahre alt, lebt in München Pasing, spielt gerne mit Lego und ist Anwalt. Er geht einmal im Jahr in ein Museum und möchte dort vor allem schöne Farben sehen”.

Kein Bild passt besser zu diesem Thema als dieses Cartoon


Wenn man mit so einer (möglicherweise) Wunschvorstellung anfängt, kommt man zwangsläufig zu “Content”, das wunderbar auf diese Persona passt. Aber eben auch nichts mit der Realität zu tun hat.

So macht man es richtig:

  • Besucheranalyse oder
  • Wunsch-Besucheranalyse

Variante 1

baut auf den tatsächlichen Besucher*Innen auf. Wir schauen dazu in unser Web-Analyse-Tool und unsere Kundendatenbank. Wie alt ist der Durchschnitt? Wie alt sind die meisten (Modalwert)? Welches Geschlecht? Wo wohnen sie? Wie oft kaufen sie bei uns? Was kaufen Sie?

Viel mehr lässt sich aus den meisten Tools nicht herauskitzeln. Diese demografischen und kaufverhaltensorientierten Kriterien zeichnen aber erst ein grobes Bild.

Wie kommen wir zu den interessanten “psychografischen” Kriterien wie Interesse, Lebenswirklichkeit etc.?


Variante 2

Statt die tatsächlichen Besucher:innen in Personas zu unterteilen, könnt ihr auch potenzielle Besucher:innen (Wunschzielgruppen) nutzen
Um psychografische Kriterien zu finden, oder eine Wunschpersona zu erstellen gibt es diverse Möglichkeiten:

  • Studien lesen
  • Studien in Auftrag geben
  • Digitale Quellen
  • Fokus Gruppe
  • Beobachtungen
  • Kooperationen

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eure Zielgruppe genauso tickt, wie die Zielgruppe von einer vergleichbaren Organisation. Wenn ihr also Puppentheater in Hamburg macht, recherchiert nach Publikums Studien von Puppentheater. Ob die in München, Stuttgart oder Köln beheimatet sind, ist weniger relevant.


Digitale Quellen

Wie man externe Datenbanken anzapft, um etwas über Zielgruppen zu erfahren, habe ich bereits den Beitrag Externe Webanalyse verfasst. Dort findet ihr alles dazu.


Umfrage

Noch besser ist natürlich, wenn ihr eine eigene Publikumsumfrage macht. Dazu empfiehlt sich die Kooperation mit einer Hochschule, da private Umfrageinstitute meist teurer sind. In München bietet die studentische Unternehmensberatung “Forwart” solche Diente an.

Wer weniger Zeit aber etwas Budget hat, kann auch in ein paar Minuten eine repräsentative Zielgruppe erreichen. Das verspricht zumindest die Firma appinio.com.


Fokusgruppe

Statt 1.000 Menschen zu befragen, macht es auch Sinn, einfach 5 möglichst verschiedene Besucher*Innen in einem Interview zu befragen.

Wie sieht ihre Situation aus? Daraus können sich Hypothesen bilden, mit denen man weiterarbeiten kann.


A/B Tests

Menschen tendieren dazu A zu sagen, aber B zu machen. Daher sind A/B Tests ein wertvolles Instrument.Dabei wird einem Teil der Zielgruppe Variante A angezeigt und dem anderen Teil Variante B. Nun wird beobachtet, wie sich die beiden Gruppen verhalten. In Umfragen von netflix kam z.B. heraus, dass man alle verfügbaren Filme auf der Startseite für Nicht-Kunden anzeigen sollte, sodass diese wissen, was netflix bietet. In A/B-Tests konnte netflix jedoch zeigen, dass diese Übersicht die Anzahl der Registrierungen verringerte. Die Hypothese wurde also durch A/B-Tests widerlegt.


Beobachtungen

Ihr könnt jedoch auch einfachere Beobachtungen anstellen – oder Kollegen mit Kundenkontakt nach ihren Beobachtungen fragen. Falls ihr ein Ticketbüro habt: Es ist ein Schatz voller Beobachtungen über euer Pubikum!

Wir sind nicht alleine, viele Museen z.B. arbeiten mit einem Cafe oder einem Museumsshop zusammen. Welche Informationen können Sie über die Kunden geben? Vermutlich sind es die gleichen Menschen, aber in zwei verschiedenen Situationen.


Erhebung

Nachdem wir nun diese ganzen Informationen gesammelt haben (oder zumindest Teile davon), können wir entscheiden, welche Informationen uns am relevantesten erscheinen. Ob wir dazu politische Kriterien wählen (Diversity, junges Publikum etc.) oder wirtschaftliche (welche Segmente werden am häufigsten kommen?) bleibt uns überlassen.


Beispiel:

Wir haben über unser Webanalyse-Tool herausgefunden, dass überdurchschnittliche viele Frauen unsere Museumguides als Audio herunterladen. Viele davon sind unter 30 Jahre alt. Bevor sie unsere Webseite besuchen, waren sie auf Instagram. Das Tool sagt uns, dass sich diese Zielgruppe auch für Reisen, Fashion und Theodor Adorno interessieren.

Jetzt stellen wir die Hypothese auf: es sind Studentinnen der Geisteswissenschaften.


Wir wollen keine eigene Studie in Auftrag geben, weil wir kein Geld haben. Also recherchieren wir erstmal in der Kulturmanagement-Fachliteratur.
Dort zeigt sich, dass Studentinnen bei viele Museen eine große Gruppe ausmachen. Etwa 10% – bei uns sind es aber eher 3%! Das stützt unsere Hypothese und zeigt uns gleichzeitig, dass wir hier ein Besucher*Innenpotenzial heben können.


UX Tests

Unser Praktikant ist selbst Student, daher fragen wir ihn, ob er einen Aushang an der Uni machen könnte: “Museum X sucht 5 Studentinnen der Geisteswissenschaft, für 30min Befragung. Es gibt 50€ pro Person.”

Den Teilnehmerinnen stellen wir einzeln ein paar Fragen. Wir bitten Sie um Feedback zu unserer Webseite und den Audioguides. Außerdem beobachten wir sie, wie sie unsere Webseite benutzen.

Das Buch “Don’t make me think” gibt dazu praktische Tipps.


Vielleicht begleiten wir die Studentinnen auch noch auf ihrer Tour durch das Museum.

Wir könnten folgende Informationen erhalten haben, die wir unserer ersten groben Persona hinzufügen:
- Einige der Teilnehmerinnen gehen häufiger ins Museum als gedacht, da sie auch andere Museen besuchen.
- Sie wollen in einem Museum etwas über Kunstgeschichte lernen
- Sie machen gerne Instagram-Stories von ihrem Museumsbesuch
- Sie suchen gelegentlich nach Bildern zu einem Thema, um ihre Stories aufzuhübschen
- Es stört sie, dass sie im Museum nicht miteinander reden können (der Aufseher hat mal eine Ermahnung ausgesprochen, da zu laut gelacht wurde)

Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir unsere Persona mit leben füllen können.


Fertige Persona:

  • So sieht sie aus (https://thispersondoesnotexist.com einfach so lange klicken, bis eine junge Frau erscheint)
  • Julia
  • 29 Jahre
  • Studiert Kulturwirtschaft
  • Lebt in einer WG
  • Ist häufig auf Instagram , nutzt die App auch als Chat
  • Besucht bereits häufiger Museen
  • Interessiert sich für Kunstgeschichte
  • Teilt ihre Lieblingsgemälde bei Museumsbesuchen mit ihrer WG, agiert als Impulsgeber für den Museumsbesuch anderer Menschen
  • Mag die Stille in Museen nicht

Ist das nun eine gute Persona? Fraglich.

Dazu müssen wir abschätzen, ob wir unsere Kapazitäten wirklich darin investieren sollten, Content und Vermittlungsangebote für diese Persona zu erstellen.

Keine Sorge, ich habe dich bewusst in diese Falle geführt. Denn das passiert häufig. Man verläuft sich in einem Thema und am Ende kommt dabei etwas heraus, das den Aufwand doch nicht wert war.

Denn: wenn wir diese Persona ansprechen, haben wir vermutlich keine Zeit mehr, um auch eine andere Persona zu erreichen. Wir müssen also hier wirtschaftlich denken.

Dazu gehen wir ein paar Steps zurück. Als wir im Beitrag zur Strategie eine dergleichen erstellt haben, haben wir ja bereits gemeinsam mit den anderen Stakeholdern festgelegt, wen wir erreichen möchten und wo das Online Marketing in 3 Jahren stehen soll.


Passt die Schwerpunktsetzung auf diese Persona in unsere Strategie?

Falls nein: Ist die Zielgruppe so groß und interessant, dass wir unsere Strategie vielleicht anpassen sollten? Reminder: Strategien sind nicht in Stein gemeisselt.

Wir haben jetzt mehr Infos als am Anfang und sollten nicht aus falschem Verständnis von Stolz an dieser Idee hängen bleiben: Kill your Darlings!

Falls ja: Sehr gut. Jetzt haben wir aus der groben Strategie schon eine etwas feinere Variante erhalten. Wir schauen uns die Datenlage nochmal genau an, und versuchen unsere Hypothese (“Das ist eine gute Persona”) zu widerlegen.


Im Idealfall haben wir dazu einen Sparringspartner, denn man ist schelcht darin, sich selbst als Lügner darzustellen, siehe “Thinking Fast, Thinking Slow” (Daniel Kahnemann)

Der Partner zerpflückt nun deine Persona und versucht zu argumentieren, wieso es keine gute Idee ist, diese für unser Content Marketing zu nutzen.


Beispiele:
- Die Zielgruppe kommt doch bereits in Museum. Wir predigen zu den bereits überzeugten.
- Die Zielgruppe zieht in 2 Jahren um, dann haben wir nichts mehr davon
- Verlieren wir mit diesem Schwerpunkt nicht die älteren Männer?
- Wir haben gerade ein Projekt, um diverses Publikum zu erreichen.
- Die Persona ist bereits bei uns, wir sollten People of Color ansprechen
- Die Kaufkraft der Zielgruppe ist viel zu gering, wir brauchen mehr Spender – und unsere Spender sind nicht junge Studentinnen


Wir brauchen keine perfekte Antwort auf jede dieser Ergebnissen, denn es gibt nicht die eine perfekte Persona, mit der ALLE Probleme gelöst werden können.

Daher arbeiten viele Unternehmen mit mehreren Personas und mehreren Vermittlungsansätzen. Das kann unsere Organisation aber personell nicht leisten, daher müssen wir uns beschränken.


“Wer etwas Großes will, der muß sich, wie Goethe sagt, zu beschränken wissen.” (Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse)


Fazit

✅ Nun hast du eine Persona erstellt, die solide auf einer Datengrundlage aufbaut.

👩🏽‍🍳 Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit, dass sie im echten Leben vorkommt ist hoch, und dass der Content, den du für sie erstellt, auf ECHTE Nachfrage stoßen kann.